Neulich fuhr ich in einem völlig überfüllten Zug. Mit gefühlt 300 betrunken Fußballfans, deren euphorische und vor allem alkoholisierte Stimmung an meinen Nerven nagte. Im Kontrast dazu sah ich in der 1. Klasse entspannt einige wenige Leute sitzen. In diesem Moment habe ich mich geärgert, nicht doch etwas mehr Geld ausgegeben zu haben, um in diesen „exklusiven Klub“ aufgenommen zu werden. Solche Situationen kennt sicherlich jeder.
Aber warum erscheinen uns exklusive Dinge begehrenswerter als permanent Verfügbare? Dahinter steckt der Effekt der Verknappung, der uns Produkte attraktiver erscheinen lässt, weil sie schwerer erreichbar oder nicht unbegrenzt oder sofort verfügbar sind (Cialdini, 2013). Jeder von uns kennt das typische „Nur noch für kurze Zeit“ oder „Nur solange der Vorrat reicht“. Genau diese Phrasen lösen in den Gehirnen der meisten Menschen einen wichtigen Mechanismus aus: Wir Menschen wollen dem Umstand des drohenden Verlustes dadurch ausgleichen, indem wir möglichst schnell reagieren, damit uns kein anderer das begehrte Produkt wegschnappt (Häusel 2002). Dieses Prinzip funktioniert – richtig angewandt – so gut, dass es teilweise in irrationalen Hamsterkäufen endet. Die grundsätzliche sozialpsychologische Theorie dahinter heißt Reaktanz-Theorie, die ich in diesem Artikel ausführlich beschrieben habe.
Zurück zum Thema. Jetzt kann man bei der Preisdifferenz von einem Bahnticket 2. Klasse zu einem Ticket der 1. Klasse vielleicht noch nicht von Exklusivität im alltagsgebräuchlichen Sinn sprechen, aber die dahinter liegenden Mechanismen Verknappungs-Mechanismen sind die gleichen. Ein weiteres Argument bei der Betrachtung von Exklusivität ist die Abgrenzung des Individuums zu anderen. Wenn ich Teil einer exklusiven Gruppe bin, in die nur Auserwählte hinein kommen, steigt die Attraktivität dieser Gruppe für Außenstehende. Ein Beispiel dafür sind hierarchische Rollen in Internetforen, in denen User mit besonders vielen Beiträgen – gut sichtbar für andere neben jedem Posting – im Rang aufsteigen und dadurch Privilegien eingeräumt bekommen. Das macht das „Aufsteigen“ in dieser Hierarchie begehrenswert, sodass sich die meisten Nutzer unbewusst emergent im Sinne des Plattformbetreibers verhalten. Häufig ist jedoch beim Stichwort der Exklusivität im Alltagsgebrauch eine enge Verbindung mit dem Begriff ‚Luxus‘ zu sehen.
Ein Beispiel aus dem Online-Marketing ist das Urlaubsportal von Secret Escapes. Es wirbt damit, dass Mitglieder Luxushotels und Traumreisen bis zu 70% günstiger erhalten. Durch das Besetzen von Begriffen wie z.B. „Luxus“ und „Traumreisen“, welche einer inhärenten Bedeutung von Reichtum, Freiheit, Spaß folgen, und der gleichzeitigen Exklusivität des Angebotes nur für Mitglieder, wird hier ebenfalls eine Verknappungs-Situation erzeugt, um die Mitgliedschaft und am Ende das Produkt attraktiver erscheinen zu lassen, weil mit der Exklusivität und den Luxus in den Augen vieler Menschen gleichzeitig ein höherer sozialer Status verbunden ist.
Eine weiteres spannendes Fallbeispiel ist Brands4Friends.de. Analog zu Secret Escapes wird den Nutzern eine scheinbare Exklusivität des Shops vorgegaukelt. Das innovative an diesem Konzept ist jedoch, dass nur diejenigen Nutzer bei Brands4Friends einkaufen können, die zuvor von bestehenden Mitgliedern eingeladen wurden. Hier wird sehr schön das Element der Exklusivität einer Gruppenzugehörigkeit mit Verknappung kombiniert, um eine Sogwirkung zu forcieren.
Und auch Amazon setzt verstärkt auf die Exklusivität seiner Prime-Mitgliedschaft, indem einige Produkte zwar für jeden sichtbar sind, aber nur von Prime-Mitgliedern erworben werden können. Ziel soll es sein, mehr Kunden in die Prime-Mitgliedschaft zu bringen, die einen jährlichen Betrag von 49€ kostet.
Fazit
Richtig angewandt kann Exklusivität als Element der Verknappung eine Sogwirkung erzielen und auch im Online-Marketing funktionieren. Besonders am Beispiel von Amazon kann man gut sehen, dass es ein schmaler Grad sein kann, damit die Exklusivität als attraktiv für Außenstehende wahrgenommen wird. Bei Amazon funktioniert dieses Konzept meiner Meinung nach nur bei den Kunden, die bereits viel dort kaufen und gedanklich mit einer Prime-Mitgliedschaft liebäugeln. Da es neben Amazon noch eine große Auswahl an alternativen Shops gibt, könnte bei anderen Kunden ein reaktantes Verhalten in Richtung Bumerang-Effekt auftreten. Sie könnten sich sagen: „Ja gut, dann eben nicht. Die wollen mein Geld wohl nicht, also gehe ich eben zu XYZ.“
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