Wenn wir an den Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie denken, dann hat das erstmal nicht viel mit Onlinemarketing zu tun, richtig? Falsch, und ich erzähle euch warum. Beides sind hervorragende Beispiele für den sogenannten Ausgaben-Effekt oder Sunken-Cost-Effect, oder ab sofort auch auch Candy-Crush-Effekt genannt.
Der Ausgaben-Effekt beschreibt aus ökonomischer Perspektive ein irrationales Verhalten, bei dem Menschen um so stärker an einer getroffenen Entscheidung festhalten, je mehr sie bereits darin investiert haben (vgl. Brockner et al., 1986). Die Aufwendungen, die in der Vergangenheit getätigt wurden, erhöhen die Bindung und die Bereitschaft auch in Zukunft darin zu investieren, obwohl bei rationaler Betrachtung ein Abbruch sinnvoller sein könnte. Mit anderen Worten: „Jetzt haben wir schon soviel darein investiert, jetzt muss das auch ein Ergebnis bringen!“. Erkennt ihr gerade die Parallelen zum Berliner Flughafen? 😉
Arkes und Blumer (1985) hatten dieses Verhalten bei einem Experiment nachweisen können. 60 Probanden haben sich für die eine Theater-Saison eine Dauerkarte gekauft. Dabei wurden 3 verschiedene Karten-Typen randomisiert ausgegeben: Karten für 15 Dollar, sowie um 2 und 7 Dollar verbilligte Varianten. Nach Ende der 6 monatigen Saison wurde festgestellt, dass die Karteninhaber, die keinen vergünstigen Preis erhalten haben, häufiger im Theater waren, als die beiden anderen Gruppen. Das führt zu der Schlussfolgerung, dass die häufigeren Besuche aufgrund der höheren Investition und der daraus resultierenden Bindung stattfanden.
Dieser Effekt lässt sich auch im Online-Marketing beobachten. Eines der erfolgreichsten mobilen Games ist Candy Crush Saga für iOS und Android. Das Spiel basiert auf einem Puzzle ähnlichem Prinzip, bei dem der Spieler in einer begrenzten Anzahl von Spielzügen verschiedene Aufgaben lösen muss.
Dabei wird dem Spieler die verbleibende Anzahl von Spielzügen angezeigt. Schafft der Spieler es nicht innerhalb der vorgegebenen Spielzuganzahl die Aufgabe zu absolvieren, wird ihm angeboten, für 89 Cent fünf weitere Züge zu erkaufen, um so das Level erfolgreich abzuschließen. Bei diesem Prinzip greift der Ausgaben-Effekt, da der Spieler bis zu diesem Zeitpunkt zwar kein Geld, aber Zeit und Energie in das Spiel investiert hat und gleichzeitig das Involvement besonders hoch ist. Ein Teil dieser Spieler wird daher bereit sein, die 89 Cent zu bezahlen, um das Spiel erfolgreich beenden zu können, damit die investierte Zeit und Kraft nicht umsonst war.
Wenn man nur kreativ genug ist, lassen sich da noch viel mehr Beispiele finden oder ausdenken. Für einen Newsletter habe ich vor einigen Monaten eine Variante gebaut, der mit diesem Effekt gearbeitet hat und an über 12.000 Kunden ausgespielt wurde. Das Ergebnis des AB-Test war eine hochsignifikante Steigerung der Conversionrate.
Das Prinzip zieht sich durch die ganze Welt und durch unsere ganze Gesellschaft. Ich würde sogar behaupten, dass so gut wie jeder Mensch, der sich nicht mal ein bisschen mit Psychologie oder Ökonomie beschäftigt hat, nach diesen irrationalen Maximen handelt!
„Das Prinzip zieht sich durch die ganze Welt und durch unsere ganze Gesellschaft“
Volle Zustimmung.
„Ich würde sogar behaupten, dass so gut wie jeder Mensch, der sich nicht mal ein bisschen mit Psychologie oder Ökonomie beschäftigt hat, nach diesen irrationalen Maximen handelt!“
Ich gehe einen Schritt weiter: Ich behaupte, dass jeder diesen irrationalen Wegen verfällt. Manche mehr, manche weniger. Es geht ja nicht immer ums große Geld, siehe die schöne Ausführung zum Candy-Crush. Aber auch: Film fertig schauen, obwohl er schlecht ist – die Hoffnung auf „es wird schon besser“ hält bis zum Ende. Vielleicht ist der Sunken-Cost-Effect auch daran schuld, dass wir immer dicker werden. Bezahlt ist die XXL Portion schließlich. Satt, egal, weiteressen.
In dem Zusammenhang lesenswert: Daniel Kahneman’s Buch, insbesondere der Teil über Verlustaversion.
Hallo Michael, danke für deinen Kommentar. Ja, deine beiden Beispiele sind ebenfalls sehr gut. Insbesondere den Punkt mit den XXL-Portionen finde ich auch aus sozialkritischer Sicht interessant. Die Verlustaversion hat zwar nicht direkt etwas mit diesem Effekt zu tun, aber ist inhaltlich natürlich auch wertvoll – insbesondere fürs Marketing. 🙂
Schön geschrieben, muss da im Unternehmensbereich immer an „wenn du entdeckst das du ein totes Pferd reitest, dann steig ab“ denken, ganz besonders bei „jetzt hat es schon viel gekostet, das muss jetzt auch funktionieren“. Leider sitzt das irrationale Verhalten / denken extrem tief verwurzelt in den Führungsabteilungen 😉